Einschätzung des Competitiveness Compass

Die Arbeitsgruppe „Europa“ des FORWIT unterstützt die im Competitiveness Compass genannten ambitionierten forschungs- und innovationspolitischen Agenden. Angesichts der beispiellosen Geschwindigkeit, mit der die neue US-Administration die wirtschafts- und geopolitische internationale Ordnung verändert und wie Europa immer mehr in eine unangenehme Lage zwischen den beiden Machtblöcken USA und China gedrängt wird, ist alles zu unternehmen, das Europas Wettbewerbsfähigkeit und technologische Souveränität stärkt.

Diese grundsätzliche Zustimmung soll nicht über Schwächen in dem Dokument hinwegtäuschen. Die Vielzahl an vorgesehenen Rechtsakten und Initiativen, die laut Competitiveness Compass in kurzer Zeit auf den Weg zu bringen seien, vermitteln den Eindruck, dass alte top-down-Denkweisen in der Form von administrativen Regelwerken durch neue top-down-Denkweisen in der Form von administrativen „Strategien“ ersetzt werden sollen. Ein solches unidirektionales Vorgehen droht an der Realität europäischer Politikgestaltung zu scheitern. Generell sollte bei der Umsetzung von FTI- Maßnahmen darauf geachtet werden, Freiräume für bottom-up-Aktivitäten wissenschaftlich-technischer wie unternehmerischer Natur vorzusehen. Nur dann wird es gelingen, auf unvorhergesehene Entwicklungen adäquat zu reagieren und den entrepreneurial spirit hochzuhalten.

Unklare Prioritäten und drohender Verlust bewährter Forschungsinstrumente

Bewährte Instrumente, wie es das Forschungsrahmenprogramm (FRP) bietet, sollten nicht leichtfertig über Bord geworfen werden. Eine Klärung über die Stellung und Aufgabe des FRP ist daher dringend herbeizuführen. Das Fehlen seiner expliziten Erwähnung im Competitiveness Compass lässt befürchten, dass der Competitiveness Fund zu einer Hülle für die Finanzierung einer großen Anzahl von Programmen wird, deren Umsetzung und strategische Weiterentwicklung dann über mehrere Generaldirektionen verteilt erfolgt. Die Arbeitsgruppe warnt eindringlich davor, das FRP einer solchen scheinbar größeren Effizienz zu opfern. Stattdessen ist zu überlegen, wie das FRP besser explizit innerhalb des Competitiveness Funds positioniert und mit einer garantierten Finanzierungszusage ausgestattet werden könnte.

Autonomie des ERC bewahren und Effizienz steigern

Die Arbeitsgruppe teilt auch die bereits von verschiedenen Seiten geäußerten Bedenken gegenüber der geplanten größeren Verschränkung zwischen European Research Council (ERC) und European Innovation Council (EIC). Die Kooperation zwischen den beiden Institutionen ist bereits in vollem Gang. Die allseits anerkannte Erfolgsgeschichte des ERC beruht im Wesentlichen auf der von der Europäischen Kommission garantierten strategischen Autonomie des ERC in Form des Scientific Council. Wichtig wäre es, diese Autonomie auf die operative Ebene des ERC und die Implementierung der Arbeitsprogramme auszudehnen, statt diese durch forcierte Anpassung und Standardisierung einzuschränken.

Abschließend verweist die Arbeitsgruppe eindringlich darauf, dass etliche konstruktive Vorschläge zur effizienteren Ausgestaltung der sogenannten 2. Säule des FRP, die sich mit einer verstärkten und tiefergehenden Einbindung der europäischen Industrieforschung befassen, vorliegen – wie etwa der Heitor-Report oder zuletzt der Bericht „Towards an Ambitious FP10“ von CEPS –, die es aufzugreifen und zu konsolidieren gilt. Ein „Polarstern“‘ gibt zwar die Richtung für die Orientierung vor, bedarf aber einer gesicherten und gut gekennzeichneten Route, um zum Ziel zu gelangen.

Hinweis

Der Arbeitsgruppe „Europa“ gehören neben der Arbeitsgruppenvorsitzenden Helga Nowotny die Ratsmitglieder Dietrich Haubenberger, Georg Kopetz, Johanna Pirker, Monika Ritsch-Marte und Tom Henzinger an. Die Einschätzung wurde im Interesse von Länge und Klarheit editiert.